Bericht zum Stand der Landesaufnahmeprogramme

Die Fraktion DIE LINKE hat für die Sitzung der staatlichen Deputation für Inneres am 7. Oktober 2021 den Bericht zum Stand der Landesaufnahmeprogramme erbeten:

1. Wie viele Menschen syrischer Staatsangehörigkeit wurden seit 2013 durch Landesaufnahmeprogramme in Bremen aufgenommen?
2. Wie läuft das konkrete Verfahren von der Antragstellung bis zur Einreise ab? Welche Stellen sind mit der Aufnahme befasst (jenseits Einvernehmen des BMI)?
3. Ist anzunehmen, dass die Angehörigen syrischer Geflüchteter aufgrund der erforderlichen Verpflichtungserklärung überwiegend in privatem Wohnraum untergekommen sind?
4. Wie viele Anträge wurden für das aktuelle, im April in Kraft getretene Landesaufnahmeprogramm gestellt und wie weit ist der Bearbeitungsstand?
5. Einen politischen Beschluss und das Einvernehmen des BMI vorausgesetzt: Ließe sich das Verfahren beim Landesaufnahmeprogramm für Angehörige syrischer Geflüchteter auf afghanische Staatsangehörige übertragen? Wenn nein, warum nicht?


Mit den nachstehenden Ausführungen wird Bericht erstattet:

Antwort zu Frage 1 und 4:Wie viele Menschen syrischer Staatsangehörigkeit wurden seit 2013 durch Landesaufnahmeprogramme in Bremen aufgenommen?

Wie viele Anträge wurden für das aktuelle, im April in Kraft getretene Landesaufnahmeprogramm gestellt und wie weit ist der Bearbeitungsstand?
Es liegt nur die Anzahl der durch das Auswärtige Amt erteilen Visa vor. Nicht bekannt ist, wie viele davon tatsächlich im Land Bremen angekommen sind. Die Visumerteilung liegt in der Zuständigkeit der Auslandsvertretungen (Botschaften und Generalkonsulate) der Bundesrepublik Deutschland.
Die Visa-Erteilungen durch das Auswärtige Amt stellen sich für die drei Aufnahmeprogramme des Bundes und die daran anknüpfenden zusätzlichen Landesprogramme wie folgt dar:

  • Bundesaufnahmeprogramme – Aufnahmen mit Ziel Land Bremen – bundesweit wurden durch seit 2013 insgesamt 20.137 Visa erteilt.
  • Zusätzliche Landesaufnahmeprogramme Syrien – des Landes Bremen: Es wurden über die ergänzenden Aufnahmeprogramme aller Bundesländer 26.108 Visa erteilt. Davon entfielen 315 auf das Bundesland Bremen. Vergleicht man die erteilten Visa hilfsweise analog des Königsteiner Schlüssels, würde sich eine Quote von 249 Aufnahmen ergeben. Damit liegt die tatsächliche Visa-Erteilung für Aufnahmen im Land Bremen mit gerundet 1,21 % über dem für eine gleichmäßige Lastenverteilung der Länder vorgesehenen Schlüssel von 0,95 % für Bremen.

Nach dem neu aufgelegten Bremer Erlass Aufnahme syrischer Geflüchtete bei ihren in Bremen lebenden Verwandten konnten bislang noch keine Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden. Weitere Anfragen und Anträge gehen noch ein. Die Frist zur Antragstellung läuft noch bis zum 30. September 2021.
Zum Zwischenstand wird nachfolgend berichtet:
In der Stadtgemeinde Bremen wurden 3 Vorabzustimmungen vom Migrationsamt und 2 Vorabzustimmungen durch die Ausländerbehörde der Stadtgemeinde Bremerhaven an die zuständigen deutschen Auslandsvertretungen gegeben. Die für die Einreise erforderliche Visa-Erteilungen durch die deutschen Botschaften stehen noch aus.
Für die Stadtgemeinde Bremen sind ca. 700 Anfragen beim Migrationsamt Bremen eingegangen. Es wurden 107 Anträge gestellt. Davon erfüllten nur 10 Anträge die Voraussetzungen der berechtigten Gruppe. Von diesen 10 Anträgen haben bislang 3 die erforderliche Verpflichtungserklärung abgegeben. Weitere 7 Anträge sind noch im Verfahren. In den übrigen 97 Fälle konnte den Anträgen nicht entsprochen werden, da sie die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllten.
Die Gründe für die noch nicht abgeschlossenen Antrags- und Prüfungsverfahren sind unterschiedlich: In einigen Fällen reicht das Einkommen des erstgenannten Verpflichtungsgebers nicht aus und es wird nach weiteren Verpflichtungsgebern gesucht. In anderen Fällen wurden nicht oder nicht in ausreichendem Umfang die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Das Migrationsamt ist im laufenden proaktiven Kontakt. Teilweise verläuft die Kommunikation wegen der fehlenden oder nicht ausreichenden Rückmeldung der Antragstellenden schleppend.

In der Stadtgemeinde Bremerhaven wurden ca. 200 Anfragen gestellt. Davon erfüllten nur 14 Personen mit 30 Angehörigen die Voraussetzungen der berechtigten Gruppe. Zusammenfassend können 4 beantragende Personen für 7 Angehörige die erforderlichen Verpflichtungserklärungen (VE) abgeben. Für 2 Anträge wurden die Vorabzusage durch Bremerhaven an die zuständige Auslandsvertretung gegeben.
Bei den noch in Prüfung befindlichen weiteren Anträgen ist die Abgabe der erforderlichen VE ist noch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird die Abgabe einer VE durch Dritte beabsichtigt, teilweise liegen keine oder nicht ausreichende Einkommensnachweise vor.
Das aktuell neu aufgelegte Aufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete, die eine Aufnahme durch ihre in Bremen lebenden Verwandten beantragen vom 6. April 2021 (e21-04-01) umfasst die Kernelemente:

  •  Aufnahme von bis zu 100 Menschen
    -Syrische Staatsangehörige
    -In begründeten Einzelfällen auch Staatenlose
  • Antragsberechtigt sind:
    - Fallgruppe 2.1.: Angehörige von unbegleiteten Minderjährigen und jungen Menschen bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
    --> Eltern, sofern sie nicht die Voraussetzungen für den Familiennachzug nach dem AufenthG erfülle
    --> Für den Fall, dass keine Eltern mehr leben: 1 volljähriges verheiratetes Geschwister mit Ehegatte/Ehegattin und deren minderjährigen Kindern

- Fallgruppe 2.2: Angehörige von Volljährigen
-->Volljährige ledige Kinder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres und deren minderjähriger Kinder
-->Minderjährige ledige Kinder, sofern sie nicht die Voraussetzungen für einen Familiennachzug nach dem Aufenthaltsgesetz erfüllen.

Weitere Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist die Abgabe einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG. Hierbei ist der Umfang begrenzt. Ausgenommen von der Verpflichtungsübernahme sind die Kosten für Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft, Geburt, Pflegebedürftigkeit und Behinderung im Sinne der §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Diese Kosten werden vom Land Bremen übernommen. Die Haftungsdauer beginnt mit dem Tag der Einreise und beträgt 5 Jahre (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Dieses bestehende Landesaufnahmeprogramm kann nicht verändert werden. Sollten Überlegungen bestehen, beispielsweise die nach dem Alter berechtigten Personen, die nach Bremen ziehenden Angehörigen oder andere Parameter zu ändern, müsste ein neues Landesaufnahmeprogramm (LAP) entwickelt werden und erneut das BMI um die Erteilung des Einvernehmens ersucht werden. Nur wenn das BMI sein Einvernehmen erklärt, könnte ein anderes Aufnahmeprogramm in Kraft gesetzt werden.


Antwort zu Frage 2: Wie läuft das konkrete Verfahren von der Antragstellung bis zur Einreise ab? Welche Stellen sind mit der Aufnahme befasst (jenseits Einvernehmen des BMI)?
Bei nationalen Visa wird der Antrag bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung vor der Einreise nach Deutschland gestellt. Die Auslandsvertretung wendet sich an die später in Deutschland zuständige örtliche Ausländerbehörde. Im Regelfall geht durch diese Anfrage nach der Zustimmung der Antrag in der Ausländerbehörde ein. Die Ausländerbehörde (ABH) prüft die rechtlichen Voraussetzungen. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob die für die Visumerteilung erforderliche „Verpflichtungserklärung“ abgegeben worden ist. Wurde eine wirksame Verpflichtungserklärung abgegeben, erteilt die ABH eine sog. “Vorabaufnahmezusage“ an die Auslandsvertretung. Diese stellt bei Vorliegen aller Voraussetzungen ein „D-Visum“ aus. Nach erfolgter Einreise mit dem „D-Visum“ und Meldung bei der zuständigen ABH, kann diese eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG erteilen. Die Prüfung, ob ein Visum erteilt wird, obliegt der Auslandsvertretung. Es ist lediglich die Zustimmung der örtlich zuständigen ABH erforderlich.


Antwort zu Frage 3: Ist anzunehmen, dass die Angehörigen syrischer Geflüchteter aufgrund der erforderlichen Verpflichtungserklärung überwiegend in privatem Wohnraum untergekommen sind?
Voraussetzung für die Einreise der syrischen Geflüchteten zu ihren in Deutschland lebenden Verwandten war, dass u.a. der Wohnraum durch die Angehörigen gesichert wird. Hierzu wurden die erforderlichen rechtsverbindlichen Verpflichtungserklärungen abgegeben. In der Regel bedeutet dies, dass die Angehörigen überwiegend entweder bei den Angehörigen oder in von diesen finanziert in privatem Wohnraum und nicht öffentlich finanziertem Wohnraum untergekommen sind. Ob dies nach Auslaufen der Verpflichtungsübernahmen durch die hier lebenden Verwandten weiterhin der Fall ist, ist nicht bekannt..
Die mit den ersten Aufnahmeprogrammen ab 2013 abgegebenen Verpflichtungserklärungen sind zwischenzeitlich abgelaufen. Die Verpflichtungsdauer kann längstens für 5 Jahre erklärt werden.
Der Verbleib nach Auslaufen der Verpflichtungserklärung wird nicht erhoben. Daher liegen dem Senator für Inneres und der Senatorin für Jugend, Integration und Soziales keine Informationen vor.


Antwort zu Frage 4: Einen politischen Beschluss und das Einvernehmen des BMI vorausgesetzt: Ließe sich das Verfahren beim Landesaufnahmeprogramm (LAP) für Angehörige syrischer Geflüchteter auf afghanische Staatsangehörige übertragen? Wenn nein, warum nicht?
Thüringen hat als einziges Bundesland einen Entwurf dem BMI zur Erteilung des erforderlichen Einvernehmens vorgelegt. Das BMI hat die Erteilung des Einvernehmens für das vom Bundesland Thüringen für afghanische Staatsbürger entworfene LAP verweigert. Dies wurde u.a. mit den Erfordernissen der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit begründet.
Nach Auskunft des BMI vom 22. September 2021 wird der ablehnende schriftliche Bescheid an das Land Thüringen noch erfolgen.

Das BMI hat wiederholt und zuletzt am 22. September 2021 im Rahmen der Bund-Ländertagung Asyl und Rückkehr (BLTAR)ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es weder ein Bundesaufnahmeprogramm noch die Zustimmung zu einem anderen Landesaufnahmeprogramm geben wird.
Zur Fragestellung, ob die Grundsätze des LAP zur Aufnahme syrischer Verwandter mit einem LAP für afghanische Familienangehörige übertragbar wären, wird wie folgt berichtet:
Voraussetzungen für rechtswirksame Landesaufnahmeprogramme nach § 23 Abs. 1 AufenthG sind

  1. die Erteilung des Einvernehmens durch das BMI und
  2. die Durchführung eines erfolgreichen Visum-Verfahrens.

Vorausgesetzt das BMI erteilt entgegen der bislang vertretenen Auffassung das erforderliche Einvernehmen, könnte ein vergleichbares LAP für afghanische Staatsangehörige entwickelt werden. Erforderlich wäre ein Beschluss des Senats über die Anzahl, Konkretisierung der schutzbedürftigen konkreten Personengruppe, Klärung der Voraussetzungen an die Verpflichtungserklärung etc.
Besonderheiten in der praktischen Durchführung des für die Aufnahme erforderlichen Visum-Verfahrens bestehen aktuell bei afghanischen Staatsangehörigen, die sich noch im Landesinneren oder bestimmten Anrainerstaaten befinden. Die deutsche Botschaft in Kabul ist aufgrund des Bombenanschlages bereits seit dem 31.05.2017 geschlossen. Für die Erteilung von Visa für afghanische Staatsangehörige zur Einreise nach Deutschland ist seit 2017 die deutsche Botschaft in Neu-Delhi zuständig. Ersatzweise besteht eine Zuständigkeit der deutschen Botschaft in Islamabad. Bei beiden Auslandsvertretungen ist mit langen Wartezeiten zu rechnen.

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