Humanitäres Bleiberecht für Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt

Die Gesamtzahl der politisch rechtsmotivierten Gewaltstraftaten in Deutschland befindet sich auf einem hohen Niveau. Sie lag in den Jahren 2014 bis 2017 laut BKA bei durchschnittlich 1336 Straftaten pro Jahr; im vorherigen Vierjahreszeitraum von 2010 bis 2013 waren es im Schnitt 828 Delikte. Bei den Opfern der Straftaten handelt es sich meist um nichtdeutsche Staatsangehörige, von denen viele über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügen. Hierbei sind Asylsuchende und Geduldete besonders häufig Opfer rechtsmotivierter Straftaten, insbesondere wenn sie in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind.

Neben der konsequenten Verhinderung und Verfolgung von rechtsextremistischen und rassistischen Gewaltstraftaten bedarf es eines besonderen aufenthaltsrechtlichen Schutzes der Opfer, wenn diese ausländische Staatsangehörige sind. Bisher gibt es keine spezielle Regelung im Aufenthaltsgesetz, die Opfern rechter Gewalt ein Aufenthaltsrecht vermittelt. In mehreren Bundesländern (z. B. Brandenburg, Berlin, Thüringen) sind die Ausländerbehörden jedoch angewiesen, durch eine großzügige Anwendung des geltenden Rechts den Betroffenen eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG oder eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Ermessenswege zu erteilen. Darüber hinaus kann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Härtefallverfahren nach § 23a AufenthG auf ein entsprechendes Ersuchen der Härtefallkommission hin geprüft werden. Diese schon bestehenden Möglichkeiten sollten auch im Land Bremen genutzt werden.

In den meisten Bundesländern gibt es keine solche Weisungslage, so dass Opfer rechtsmotivierter Straftaten dort deutlich schlechter gestellt sind. Daher ist es angebracht, eine verbesserte Rechtsposition von Opfern rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt bundeseinheitlich durch eine Änderung der relevanten aufenthaltsrechtlichen Vorschriften gesetzlich festzuschreiben. Eine solche Verbesserung des Aufenthaltsstatus der Betroffenen könnte dadurch erfolgen, dass durch eine Änderung des § 25 Abs. 4a AufenthG Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewaltstraftaten den Opfern von Menschenhandel, Zwangsprostitution,
Zwangsarbeit und Ausbeutung gleichgestellt werden.

Ein solches humanitäres Bleiberecht ist wichtig, damit den Betroffenen nach ihrer traumatischen Gewalterfahrung Sicherheit und Schutz angeboten und verdeutlicht wird, dass sie nicht allein gelassen werden. Gleichzeitig wird Täterinnen und Tätern von rechtsextremistisch motivierten und rassistischen Gewalttaten vermittelt, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt und sie durch die mit dem Angriff einhergehende aufenthaltsrechtliche Verfestigung der Opfer das Gegenteil von dem erreichen, was sie bezweckt hatten.

Die aufenthaltsrechtliche Sicherheit ist zugleich eine wichtige Bedingung für das Gelingen einer psychotherapeutischen Behandlung, die schwer traumatisierte Opfer rechter Gewalt oftmals benötigen. Sofern den Betroffenen eine Abschiebung drohen würde, wären eine psychische Stabilisierung und eine erfolgreiche Traumatherapie nicht möglich. Ein sicheres Aufenthaltsrecht ermöglicht den Opfern von rechten Gewaltstraftaten leichter den Wohnort wechseln zu können, um nicht mehr Gefahr zu laufen, den Tätern erneut auf der Straße oder in Wohnortnähe zu begegnen. Bei Geduldeten oder Asylbewerbern ist ein Wohnortwechsel schon wegen der in der Regel durch die Ausländerbehörde zu verhängen den Wohnsitzauflage dagegen nicht oder nur nach längerem Verfahren im Wege des behördlichen Ermessens möglich.

Es ist nicht akzeptabel, dass bei Betroffenen ein Aufenthaltsrecht in Gefahr gerät, weil sie infolge der durch eine rechte Gewalttat erlittenen physischen und psychischen Verletzungen und Beeinträchtigungen ihrer Erwerbsfähigkeit ihre Beschäftigung oder Einkommensgrundlage verlieren. Denn für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist in der Regel der Nachweis ausreichender Sicherung des Lebensunterhalts eine grundlegende Voraussetzung. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4a Aufenthaltsgesetz ist dagegen auch zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist.

Zudem besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, den Täterinnen und Tätern einer rechtsextrem motivierten und rassistischen Gewalttat zu verdeutlichen, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt und mit der Verfestigung des Aufenthalts aus humanitären Gründen das Gegenteil dessen erreicht wird, was mit der Tat beabsichtigt war. Auch für die Durchführung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gegen die Täterinnen und Täter ist die Schaffung einer stabilen Aufenthaltssituation von Opfern rechter Gewalt bedeutsam, die mindestens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gilt. Derzeit ist im Bundesrat ein Entschließungsantrag der Länder Thüringen, Berlin und Brandenburg anhängig, der die Bundesregierung auffordert, eine entsprechende Änderung des Aufenthaltsgesetzes einzuleiten (BR-Drucksache 79/18).

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, den Entschließungsantrag der Länder Thüringen, Berlin und Brandenburg für ein humanitäres Bleiberecht für Opfer rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt im Bundesrat zu unterstützen.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf sicherzustellen, dass die Ausländerbehörden in Bremen und Bremerhaven von Beginn an über Ermittlungen in Fällen rechter und rassistisch motivierter Gewaltstraftaten informiert werden und sie von den bestehenden Möglichkeiten der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Duldungen für die Opfer auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes vollumfänglich Gebrauch machen.Björn Fecker, Dr. Maike Schaefer

und Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Sükrü Senkal, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD
Sophia Leonidakis, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE