Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen durch die Bremische Bürgerschaft

Petitionen sind ein wichtiges Instrument der individuellen Bürgernähe und der Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern in öffentlichen Angelegenheiten. Der Petitionsausschuss hatte sich in der 18. Legislaturperiode mit Möglichkeiten der Verbesserung des Petitionsrechts befasst und zu diesem Thema einen eigenen Unterausschuss eingesetzt, der dem Ausschuss abschließend Bericht erstattete. Der Gesetzentwurf setzt Vorschläge um, die vom Unterausschuss gemacht wurden oder die im Prozess der Beratung von BürgerInnen gemacht wurden (z.B. vom Verein zur Förderung des Petitionsrechtes). Er greift zusätzlich Anregungen auf, die auf Bundesebene formuliert wurden, sowie Verbesserungen, die sich aus der Erfahrung insbesondere mit öffentlichen Petitionen ergeben haben. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, das Petitionsrecht bürgernäher zu gestalten, die Rechte von PetentInnen und die Rechte des Petitionsausschusses zu stärken und der Behandlung von Petitionen mehr Gewicht zu verleihen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung von Demokratie.

Im Unterschied zur Entstehungszeit des Petitionsrechts besteht heute in der Regel eine parteipolitische Identität zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung – und damit zwischen der Mehrheit im Ausschuss, der über die Petition berät, der Mehrheit im Parlament, das über die Petition befindet, und der Regierung, die das Handeln der Verwaltung verantwortet, über die sich der Petent oder die Petentin meistens beschweren. Darin liegt eine gewisse Gefahr der Entwertung des Petitionsrechtes, die häufig auch von PetentInnen und BürgerInnen so artikuliert wird. Für eine zeitgemäße Stärkung des Petitionsrechts muss daher verstärktes Augenmerk gelegt werden auf die Rechte der PetentInnen, ihr Anliegen unbehindert einzubringen und der Öffentlichkeit bekannt zu machen; auf die Minderheitsrechte der Opposition in Ausschuss und Parlament; und auf die Verantwortung der einzelnen Abgeordneten. Diese Aspekte sind wesentlich für eine zeitgemäße Weiterentwicklung und Aktualisierung des Petitionsrechtes.

Im Einzelnen:

Artikel I
Nummer 1 (Nennung der Bürgerschaft als Petitionsanlass):
Die Änderung ist Teil des Gesetzentwurfes, der dem Petitionsausschuss vom Unterausschuss vorgeschlagen wurde. Da sich viele Petitionen inzwischen auch auf das Handeln oder Unterlassen der Bürgerschaft richten, soll diese Möglichkeit auch explizit im Gesetz verankert werden.

Nummer 2a (Streichung der Verpflichtung zu „würdiger Sprache“):
Die Verpflichtung von Petitionen auf eine „der Würde des Parlaments angemessene Sprache“ stellt eine unangemessene Hürde dar und ist nicht mehr zeitgemäß. Sie wirkt abschreckend und schafft unnötige Distanz zwischen BürgerInnen und Parlament. In der Praxis spielt dieser Ausschlussgrund ohnehin kaum eine Rolle. Unflätige Petitionen scheiden fast immer schon aus den vorher genannten Gründen aus (Beleidigung, Diskriminierung, Unsachlichkeit etc.).

Nummer 2b (Zulassung öffentlicher Petitionen in Englisch):
Der Verein zur Förderung des Petitionsrechts hat in einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss vom 15.08.2013 u.a. angeregt, auch öffentliche Petitionen zuzulassen, die nicht in deutscher Sprache abgefasst sind. Mit der vorgeschlagenen Erweiterung auf Petitionen in Englisch wird Personenkreisen das Instrument der öffentlichen Petition zur Verfügung gestellt, die bislang aus sprachlichen Gründen keinen direkten Zugang dazu hatten. Der Grundgedanke des Petitionsrechts, einen möglichst direkten, informellen, jeder und jedem zugänglichen Weg in die Hand zu geben, sich mit einem Anliegen an das Parlament zu wenden, wird damit gestärkt.

Für das Einreichen von nichtöffentlichen Petitionen gibt es auch bislang keine Einschränkung hinsichtlich der Sprache, in der sie abgefasst sind. Nur für öffentliche Petitionen wurde die Einreichung in deutscher Sprache verlangt. Durch die Änderung können beispielsweise Geflüchtete, die der deutschen Sprache noch nicht hinreichend mächtig sind, dieses Instrument jetzt leichter nutzen. Die Eingrenzung auf Deutsch oder Englisch dient der Praktikabilität.

Nummer 2c (Verkürzung der Frist für eine erneute Einreichung):
Die Änderung beseitigt eine Ungleichbehandlung zwischen BürgerInnen und Parlament. Während es für Abgeordnete keine Einschränkungen gibt, wann sie ein abgelehntes Anliegen erneut in die Bürgerschaft einbringen dürfen, werden bislang öffentliche Petitionen abgelehnt, wenn der Ausschuss innerhalb der Legislaturperiode bereits über eine Petition in gleicher Sache entschieden hat. Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch Bürgerinnen und Bürger nach 1, 2 oder 3 Jahren ein Anliegen wieder aufgreifen sollen, das beim ersten Anlauf gescheitert ist.

Nummer 2d (Einspruch gegen Nichtveröffentlichung):
Der Verein zur Förderung des Petitionsrechts hat in einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss vom 15.08.2013 u.a. angeregt, die Minderheitsrechte im Petitionsausschuss zu stärken. Die in § 9 Abs. 5 festgelegte Möglichkeit der Nichtveröffentlichung ist eine Kann-Regelung und die aufgeführten Gründe der Nichtveröffentlichung sind im konkreten Einzelfall interpretationsbedürftig. Die Änderung verschafft einer qualifizierten Ausschussminderheit das Recht, eine Nichtveröffentlichung zu verhindern.
Nummer 3 (Öffentlichkeit der Ausschusssitzungen):
Die Änderung ist Teil des Gesetzentwurfes, der dem Petitionsausschuss vom Unterausschuss vorgeschlagen wurde. Da der Petitionsausschuss ein Ausschuss ist, der besonderes Interesse bei BürgerInnen hervorruft, sollten seine Sitzungen möglichst öffentlich sein. Der Ausschuss hatte sich in dieser Frage auch mit dem bayerischen Petitionsausschuss beraten, der eine solche Regelung bereits anwendet.
Nummer 4 (Minderheitsvotum):
Der Verein zur Förderung des Petitionsrechts hat in einer Stellungnahme an den Petitionsausschuss vom 15.08.2013 u.a. angeregt, die Minderheitsrechte im Petitionsausschuss zu stärken, indem ähnlich wie bei Untersuchungsausschüssen Minderheitsvoten sichtbar gemacht werden.
Nummer 5a (Bürgerschaftsdebatte nicht nur auf Verlangen von Fraktionen):
Die Änderung in Ziffer 1 ist Teil des Gesetzentwurfes, der dem Petitionsausschuss vom Unterausschuss vorgeschlagen wurde. Sie ermöglicht es, dass nicht nur eine Fraktion, sondern auch eine hinreichende Zahl von Abgeordneten eine Aussprache erzwingen kann. Damit werden auch die Abgeordneten individuell stärker in die Pflicht genommen, sich zum Anliegen der PetentInnen zu verhalten.
(Massenpetitionen werden automatisch debattiert)
Die Änderung in Ziffer 2 folgt der Anregung eines Antrags der LINKEN im Deutschen Bundestag („Bürgerbeteiligung stärken – Petitionsrecht ausbauen“, Bundestags-Drs. 17/10682 vom 12.09.2012). Mit der Änderung wird das Instrument der Massenpetition gestärkt und BürgerInnen eine Möglichkeit verschafft, unterhalb der
Ebene des Bürgerantrags eine Behandlung ihres Anliegens im Parlament einschließlich öffentlicher Debatte zu erzwingen. Der Bürgerantrag wird dadurch nicht entwertet. Das Instrument „Massenpetition mit Debatte in der Bürgerschaft“ ist schwächer als der Bürgerantrag, denn es hat nur die Behandlung des Ausschussberichts zur Folge, während beim Bürgerantrag unmittelbar über den von den BürgerInnen eingereichten Antragstext in der Bürgerschaft abgestimmt werden muss. Entsprechend soll für die Massenpetition mit Bürgerschafts-Debatte eine geringere Zahl an Unterzeichnenden ausreichen. Das Instrument kommt überdies ohne die formalen Hürden des Bürgerantrags aus (persönlich geleistete Unterschrift oder elektronische Identifikation) und stünde auch Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren offen.

Nummer 5b (Nachverfolgung):
Innerhalb der Beratungen des Unterausschusses wurde auch die Frage diskutiert, ob der Petitionsausschuss deutlicher das Recht erhalten soll nachzuhaken, was z.B. aus Petitionen geworden ist, die dem Senat oder den Fraktionen zur Kenntnis übermittelt wurden. Diese Anregung wird mit der Änderung umgesetzt.
Nummer 6 (Debatte über Jahresbericht):
Die Änderung ist Teil des Gesetzentwurfes, der dem Petitionsausschuss vom Unterausschuss vorgeschlagen wurde. Der Jahresbericht macht jenseits der einzelnen Petitionen Strukturen sichtbar: Zu welchen Themen haben Bürgerinnen und Bürger besonders viele Anliegen auf dem Weg der Petition vorgebracht? Gibt es Themenbereiche, wo die konkreten einzelnen Petitionen überwiegend abgelehnt werden mussten, sie aber in ihrer Gesamtheit darauf hinweisen, dass hier politischer Handlungsbedarf besteht? Die verpflichtende Debatte über den Jahresbericht des Petitionsausschusses verschafft dem Petitionsgeschehen mehr Gewicht und verleiht der Petition, selbst wenn sie im konkreten Fall ablehnend beschieden wurde, einen zusätzlichen Einfluss.Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen durch die Bremische Bürgerschaft
Der Senat verkündet das nachstehende, von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz:
Artikel I
Das Gesetz über die Behandlung von Petitionen durch die Bremische Bürgerschaft
vom 24. November 2009 (Brem.GBl. S. 473-SaBremR 1100-d1-) wird wie folgt geändert:
1. § 1 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
a) Ziffer 1 wird folgende Ziffer 1 vorangestellt:
„der Bürgerschaft oder der Bürgerschaftskanzlei;“
b) Die bisherigen Ziffern 1 bis 5 werden zu Ziffern 2 bis 6.
2. § 9 wird wie folgt geändert:
a) Abs. 4 Ziffer 9 wird gestrichen. Die bisherige Ziffer 10 wird Ziffer 9.
b) In Absatz 4 Ziffer 9 (neu) werden nach dem Wort „deutscher“ die Wörter „oder englischer“ eingefügt
c) In Abs. 5 Ziffer 1 werden die Wörter „bereits in der laufenden Wahlperiode“ durch die Wörter „innerhalb der letzten 12 Monate“ ersetzt.
d) Folgender Absatz 6 wird neu eingefügt:
„Wenn der Petitionsausschuss die Veröffentlichung einer Petition ablehnt und ein Viertel seiner Mitglieder der Nicht-Veröffentlichung widerspricht, wird die Petition veröffentlicht.“
e) Absatz 6 wird zu Absatz 7, Absatz 7 zu Absatz 8, Absatz 8 zu Absatz 9, Absatz 9 zu Absatz 10.
3. § 10 wird wie folgt gefasst:
(1) Die Sitzungen des Petitionsausschusses sind öffentlich.
(2) Der Ausschuss schließt bei der Behandlung von Petitionen die Öffentlichkeit aus,
1. wenn Rechtsvorschriften die Bekanntgabe von Daten untersagen oder
2. wenn die Gefahr besteht, dass Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich der beschwerdeführenden Person oder Dritter zur Sprache kommen, durch deren öffentliche Erörterung überwiegend schutzwürdige Interessen verletzt würden, oder
3. wenn die Person, welche die Petition eingereicht hat oder für die sie eingereicht wurde, einer öffentlichen Behandlung widerspricht.
(3) Auch über nicht öffentliche Verhandlungen sind Mitteilungen über die Ergebnisse der Beratungen in der Öffentlichkeit zulässig. Dabei sind die schutzwürdigen Belange der Petentinnen und Petenten sowie Dritter zu beachten.
(4) Im Übrigen sind die Ausschussmitglieder und alle anderen teilnehmenden Personen auch nach Ausscheiden aus dem Petitionsausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet.
4. § 11 wird wie folgt geändert:
a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz eingefügt:
(2) Jedes Mitglied des Petitionsausschusses hat das Recht, einen abweichenden Bericht vorzulegen. Dieser Bericht ist dem Bericht des Petitionsausschusses anzuschließen.
b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.
5. § 12 wird wie folgt geändert:
a) 12 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:
(3) Eine Aussprache findet vor der Abstimmung der Bürgerschaft über die
Empfehlung statt, wenn
1. Abgeordnete in Fraktionsstärke dies verlangen;
2. die Petition 1.000 oder mehr Unterzeichnende hat.
b) folgender Abs. 4 wird neu angefügt:
(4) Hat die Bürgerschaft einen Beschluss nach Abs. 1 Ziffer 1 oder 2 gefasst, so kann der Petitionsausschuss nach angemessener Frist vom Senat Auskunft verlangen, in welcher Weise er den Beschluss umgesetzt hat. Hat die Bürgerschaft einen Beschluss nach Abs. 1 Ziffer 6 gefasst, so kann der
Petitionsausschuss nach angemessener Frist von den im Beschluss
genannten Adressaten Auskunft verlangen, ob und in welcher Form sie das
Anliegen der Petition weiterverfolgt haben.
6. § 14 wird wie folgt geändert:
a) Der Wortlaut wird Absatz 1.
b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
(2) Über den Jahresbericht findet eine Aussprache statt.
Artikel II
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Sofia Leonidakis, Claudia Bernhard, Cindi Tuncel, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE