Unhaltbare Zustände im Zeltlager in der Gottlieb-Daimler-Straße

In der Bremer Gottlieb-Daimler-Straße betreibt die Sozialbehörde eine Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete. Es handelt sich um Leichtbauhallen mit einem Dach aus Zeltplane. Das Gelände ist unbefestigt und verwandelt sich bei entsprechender Witterung in eine Schlammwüste. Der Standort befindet sich in einem Industriegebiet ohne soziale Infrastruktur, fernab der Möglichkeit gesellschaftlicher Anbindung. Einige Bewohner leben bereits über Monate in der Einrichtung.

Hinzu kommt, dass bei denjenigen, die sich im Widerspruchsverfahren gegen die Altersfestsetzung befinden, Minderjährigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Mit einem Antrag der Bremer Linksfraktion sollte die Bürgerschaft den Senat schon im Januar 2018 auffordern, diese Landeserstaufnahmeeinrichtung unverzüglich zu schließen und die Bewohner in besseren Unterkünften unterzubringen.

„Zeigen Sie, Anja Stahmann, dass Sie Menschen nicht auf diese Art und Weise – in Leichtbauhallen mit Zeltdach und fernab der Möglichkeit gesellschaftlicher Anbindung – unterbringen wollen“, forderte Sofia Leonidakis im Winter die Senatorin auf. Ohne Erfolg, 90 Jugendliche hausen noch immer weitab im Oslebshausener Industriegebiet. Gestern demonstrierten sie mit anderen Aktiven, darunter sehr viele Mitglieder der Linkspartei, dagegen. "Es gibt keine Not, jemanden so menschenunwürdig unterzubringen", meinte Leonidakis, die auch an der Demo teilnahm. [mh]

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Auf der fröhlichen, dennoch kämpferischen Demo wurden verschiedene eindrucksvolle Reden gehalten, unter anderem diese:

"Guten Tag meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, liebe Unterstützer*innen,

mein Name ist Y. und ich komme aus Freetown in Sierra Leone. Ich bin seit fünf Monaten in Deutschland und lebe seitdem im Lager in der Gottlieb-Daimler-Straße.

Zu aller erst möchte ich euch allen danken, dass ihr heute hier her gekommen seid. Dass ihr uns unterstützt und mit der Demonstration für die sofortige Schließung der Gottlieb-Daimler-Straße eure Solidarität mit uns ausdrückt.

Ich bin 17 Jahre alt und wurde im Krieg in Sierra Leone geboren. Ich habe nie in meinem Leben erfahren, was Frieden bedeutet. Ich habe meine beiden Eltern durch den Krieg verloren. Wie viele andere Jugendliche, die Sierra Leone verlassen, um Schutz zu suchen vor den schrecklichen Lebensbedingungen, mit denen wir in meinem Land konfrontiert sind. Ich habe, wie viele meiner Brüder und Schwestern hier, die Sahara durchquert, wo ich von libyschen Milizen gefangen genommen und in einem der zahlreichen Internierungslager gefoltert wurde. Andere wurden von den Milizen vergewaltigt und ermordet. Diese Milizen werden finanziert durch Vereinbarungen, die zwischen der EU und den meisten nordafrikanischen Ländern getroffen wurden. Wie einige von euch vielleicht in den Medien gehört haben, werden junge afrikanische Männer und Frauen in Libyen und anderen nordafrikanischen Ländern verkauft wie Waren, dank den dubiosen Abkommen, die vor allem Deutschland vorangetrieben hat.

Manche von uns, die in der Gottlieb-Daimler-Straße leben, wurden in Libyen gefangen genommen und als Sklaven verkauft. Ich glaube nicht, dass es ein Verbrechen ist, aus solch unmenschlichen Bedingungen und Leiden zu fliehen, um woanders Sicherheit und Menschenwürde zu suchen. Und ich werde niemals akzeptieren, dass dies ein Verbrechen sein soll. Leider werde ich seit meiner Ankunft in Deutschland und meinem Interview von den Behörden zum Verbrecher erklärt, der bestraft werden muss, solange wie sie wollen. Aber was ist mein Verbrechen? Mein Verbrechen ist, dass ich mich geweigert habe, das willkürliche Alter zu akzeptieren, dass mir von irgendwelchem Fremden gegeben wurde, der mich interviewt hat. Ein Fremder, der nichts über meine Geschichte weiß. Ein Fremder, der weder ein Verwandter noch Teil meiner Familie ist. Dieser Fremde hat einfach nur in mein Gesicht geguckt und beschlossen, dass ich älter bin, als das Alter, von dem ich weiß, dass es mein Alter ist. Natürlich habe ich Widerspruch eingelegt, weil ich mein Alter kenne.

Wir, die wir in der Gottlieb-Daimler-Straße leben, haben alle diese Erfahrung gemacht. Wir wurden in das Lager geschickt, um zu verrotten, bis wir diese Bestrafung nicht mehr länger ertragen können und ihre Entscheidung über unser Alter akzeptieren.

Wir befinden uns in einem isolierten Industriegebiet, wo es keine anderen Einwohner gibt und werden unserer Grundrechte als Menschen und Minderjährige beraubt. Wir werden in überfüllten Räumen in Metallzelten untergebracht. Wir dürfen nicht unser eigenes Essen kochen. Das Essen, was wir bekommen, ist schreckliches Essen - jeden Tag, trotz unser wiederholten Beschwerden. Uns wird verwehrt, zur Schule zu gehen und wir sind immer bedroht. Uns wird eine gute medizinische Versorgung verwehrt, obwohl klar ist, dass die meisten von uns körperlich und psychisch krank sind, wegen der Internierung in der Gottlieb-Daimler-Straße. Wir wachen jeden Morgen mit Blut in der Nase auf, wegen dem Heizlüftungssystem, das durchgehend brummt und Lärm verursacht. Wenn du jetzt dort hin gehst, findest du eine Hitze in den Zelten wie in einem geheizten Ofen. Wenn die Politiker*innen und Behördenmitarbeiter*innen glauben, man kann dort wohnen, laden wir sie ein, dort kostenlos einzuziehen. Aber wir haben genug!

Deshalb fordern wir:
Die sofortige Schließung der Gottlieb-Daimler-Straße!
Keine Transfers weg von Bremen!
Anerkennung als Minderjährige, die wir sind!
Gute medizinische Behandlung!
Das Recht zur Schule zu gehen!

Gottlieb-Daimler-Straße - Shut it down! We are here and we will fight - Freedom of movement is everybody's right!"