75 Jahre Grundgesetz: Linksfraktion fordert Wahlrecht für alle

Heute vor 75 Jahren wurde in Bonn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Bundesweit finden zahlreiche Feierlichkeiten anlässlich dieses Jubiläums statt.

Sofia Leonidakis hebt den progressiven Charakter der deutschen Verfassung hervor: „Das Grundgesetz ist auch aus linker Sicht besonders schützenswert. So haben seine Urheberinnen und Urheber mit diesem Grundpfeiler der demokratischen Verfasstheit wichtige Lehren aus den Gräueln des Nationalsozialismus gezogen, damit sich Shoah und Faschismus nie wiederholen können. Ein wichtiges Beispiel dafür, dass durch die erstarkende extreme Rechte und der AfD leider an Aktualität gewonnen hat: die wehrhafte Demokratie. Unter strengen Voraussetzungen erlaubt das Grundgesetz Verbote von Parteien, wenn diese die Verfassungsgrundsätze gefährden. Das ist ein kostbares Erbe der Gründungsväter und -mütter dieser Republik- und es sollte bei der AfD angewendet werden!“

Eine weitere Errungenschaft sei das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Asyl als Lehre aus der Verfolgung und Vernichtung der Jüd*innen und ihrem mangelnden Schutz in Europa. „Leider wurde dieses Recht schon im Grundgesetz aufgeweicht und ist auch derzeit wieder permanent Gegenstand von weiteren Angriffen“, so Leonidakis. Erwähnenswert seien auch Begrenzungen von Eigentümerrechten zugunsten der Allgemeinheit. „Fast schon visionär mutet der Grundsatz an, dass Eigentum verpflichtet. Schließlich haben Städte heute mit Wohnungsnot zu kämpfen, obwohl teils hervorragende Immobilien leer stehen oder verfallen, während ihre Eigentümer*innen damit an der Börse zocken oder die Leistungen ihrer Mieter*innen zweckentfremden, wie zuletzt in der Robinsbalje in Huchting geschehen. Auch Enteignung und Vergesellschaftung sehen die Urheber*innen des Grundgesetzes vor, um wichtige Grundlagen unseres Zusammenlebens sicherzustellen. Eine Möglichkeit, die die Politik heute nutzen muss und darf dank unserer Verfassung.“

Zuletzt mahnt Leonidakis an, dass auch das Grundgesetz modernisiert werden müsse: „So gut unsere Verfassung auch ist, manche Teile bedürfen einer Anpassung. Das verdeutlichen die anstehenden Wahlen.“ In Deutschland ist gut jeder Sechste, in Bremen sogar knapp jeder Vierte, nicht wahlberechtigt und damit vom wichtigsten demokratischen Prozess ausgeschlossen. Manche dürfen trotz eines ganzen Lebens in der Bundesrepublik nie ihr Kreuz in einer Wahlkabine machen.

„Die gesellschaftliche Realität hat sich nach 75 Jahren verändert“, sagt Leonidakis. „Spätestens seit den sogenannten Gastarbeiterabkommen ist Deutschland ein Einwanderungsland. Die Verfassung bildet das unzureichend ab. Das Grundgesetz bzw. die Rechtsprechung sollte dahingehend angepasst werden, dass eine zeitgemäße politische Partizipation für Menschen, die dauerhaft hier leben, arbeiten und ihre Kinder großziehen, gewährleistet wird. Als Linke fordern wir deshalb ein Wahlrecht auf allen Ebenen für Drittstaatsangehörige und EU-Bürger*innen, die dauerhaft hier leben!“